Obertonsingen - Obertongesang in Bad Harzburg

Was ist Obertongesang ...
Unter Obertongesang versteht man die Kunst, zwei Töne oder Melodien gleichzeitig aus einer Kehle zu singen. Auf einem Grundton bzw. einer Grundtonmelodie wird gleichzeitig eine Obertonmelodie gesungen. Dies hört sich so an, als würde der Sänger von einem Flötenspieler begleitet.

 

Wie funktioniert Obertonsingen?

Mit feinsten Zungenbewegungen kontrolliert der Sänger die Resonanzräume in Mund und Rachen, um einzelne Obertöne zu verstärken und andere abzuschwächen.

Obertöne sind ein natürlicher Bestandteil des Stimmklangs. Jeder Mensch, der sprechen kann, kann auch Obertonsingen. Um Obertongesang zu verstehen, sehen wir uns folgende drei Elemente der Stimmklangerzeugung an:

  • den Kehlkopf als Klangquelle,
  • den hinteren Rachenraum als Filter,
  • die vordere Mundhöhle als Verstärker.

Klangquelle. Sobald man einen Ton von sich gibt, entstehen Obertöne, und zwar viele  gleichzeitig. Ansonsten könnten wir garnicht sprechen. Die Klangerzeugung geschieht im Kehlkopf, indem der Atem durch eine Engstelle gepresst wird, die dann in Schwingung gerät.. Meist sind das die Stimmbänder. Aber es gibt auch andere Kehltechniken, die bei uns weniger bekannt sind. Man unterscheidet sie je nach Art der Engstelle, durch die der Atem strömt.

Filter. Der hintere Rachenraum, der Zungengrund und Kehldeckel, wirken als Filter für die Obertöne. Dort wird der sogenannte 2. Stimmformant gesteuert, der u. a. für die Vokale u bis i verantwortlich ist. Die Rachenzunge und der Kehldeckel bleiben und in der Regel unbewußt. Beim Obertongesang werden dort fast alle Obertöne ungewöhnlich stark abgeschwächt, so dass im Idealfall ein einziger an Lautstärke dominiert.

Verstärker. Der Mundraum formt zusammen mit der vorderen Zunge und den Lippen einen höcht variablen Resonanzraum. Beim Obertonsingen wird die Resonanz so eingestellt, dass sie genau auf den Oberton passt, der aus dem Rachenraum ankommt.

Die unterschiedlichen Obertontechniken unterscheidet man sowohl nach der Art des Kehlgebrauchs als auch nach der Methode, wie die Resonanzräume gebildet werden. Doch alle Techniken beruhen auf den oben genannten drei Elementen.

Wer tiefer in die Materie vordringen will, dem sei das Buch&CD “Oberton singen”  (Wolfgang Saus) ans Herz gelegt, wo die Zusammenhänge technisch, wissenschaftlich und musikalisch ausgiebig beschrieben werden.

Therapeutische Wirkung des Obertongesangs ...

Obertonsänger sowie Zuhörer berichten immer wieder von der harmonisierenden und beruhigenden Wirkung der Obertöne, wie schon die englische Bezeichnung harmonics andeutet.

Hier wirft sich die Frage nach der therapeutischen Wirkung des Obertongesangs auf.

Obertonmusiker schätzen den Obertongesang wegen der Art und Weise des freien Musizieren, des Improvisierens sowie des schöpferischen Selbstausdruckes ganz ohne Noten. Hierbei kommt ein intensiver Kontakt zur eigenen  inneren Welt sowie zu den Gefühlen zustande, ähnlich wie bei einer Meditation. Viele fühlen sich tief in ihrer Seele berührt und mit Gott verbunden.

Auch Gesangsunerfahrene kommen sehr schnell in positiven Kontakt mit ihrer Stimme, ohne die Hürde der anfänglichen Intonationsprobleme, denn viele Obertongesangsübungen werden auf einem einzigen Ton gesungen. Die Melodie wird durch die Obertöne produziert, die in ihrer Skala immer harmonisch sind. So erfährt der Gesangsanfänger von Anfang an die Schönheit seiner Stimme und gewinnt somit Selbstvertrauen und damit Selbstausdruck.Die Beschäftigung mit Obertönen schärft zudem das Hörvermögen. So nimmt man zunehmen die oft unbeachteten, feinen Färbungen von Geräuschen und Klängen wahr. So kann ein sonst nervendes Motorengeräusch durch das bewusste Wahrnehmen der vielen Obertöne zu einem Wohlklang werden.

Ursprung des Obertongesangs ...Der Ursprung des Obertongesanges lässt sich in vielen Kulturen zurückverfolgen. Er ist hauptsächlich in Zentralasien in der Mongolei und der Region um Tuva zu finden, wo die vielleicht höchste Form vokaler Obertöne zu finden ist, die als Xöömij- oder Kehlgesang bezeichnet wird. Weiterhin ist der Obertongesang auch in der sakralen Musik Tibets verankert, der dort von tibetischen Mönchen praktiziert wird. Anfang der 80er Jahre hat sich hieraus in Europa ein eigener Stil des Obertongesangs entwickelt, wobei unter den Pionieren Karl-Heinz Stockhausen, Michael und Jochen Vetter, und David Hykes zu nennen sind.

Physik der Obertöne ...

Obertöne sind allgegenwärtig. Filtert man Obertöne bei verschiedenen Klangquellen wie z.B. Gitarren, Geigen, Flöten oder der menschliche Stimme heraus, so hört sich der verbleibende Grundton immer gleich an, so dass diese Instrumente sowie auch die menschliche Stimme nicht mehr zu unterscheiden sind. Das heißt, dass Obertöne die Klangfarbe und damit den typischen Klangcharakter eines Instrumentes, einer menschlichen Stimme, eines Motorengeräusches und letztendlich jeder Klangquelle bestimmen.Die Reihe der Obertöne ist unendlich. Der erste Oberton auf einen gesungenen Grundton schwingt mit der doppelten Frequenz des Grundtones, der zweite Oberton mit der dreifachen Frequenz u.s.w. Die Anzahl der produzierbaren Obertöne verdoppelt sich bezogen auf einen konstant gesungen Grundton von Oktave zu Oktave. Ein guter Obertonsänger kann auf einem konstant gehaltenen Grundton ca.  20 deutlich zu  unterscheidende Obertöne singen. Der Obertonumfang einer weiblichen Stimme ist aufgrund der höheren Grundstimme etwas geringer.

Westlicher Obertongesang

Die Gesangskunst wurde im okzidentalen Kulturkreis vor allem in der New-Age-Szene der 1980er Jahre populär. In den 1960ern hatten Komponisten wie La Monte Young und Karlheinz StockhausenObertongesang in die Avantgardemusik eingeführt. Die westliche Obertonmusik ist also recht jung. Während einige Künstler ihre Techniken vor allem aus Stimmexperimenten und Vokaltechniken zu einer neuen Kunstform entwickelten, lassen sich viele jüngere Obertonsänger auch von den asiatischen Kehlgesangtechniken inspirieren. Trotzdem ist ein Obertonsänger klanglich meist leicht von einem asiatischen Kehlsänger zu unterscheiden.

Obertonsänger nutzen als Grundton die „normale“ weiche Stimme. Dadurch ist ein fließender Übergang von Vokalen und Sprache zu Obertongesang möglich. Für viele Obertonmusiker sind daraus entstehende neuartige Klangfarben die Grundlage ihres künstlerischen Ausdrucks. Andere entwickeln eine hohe Virtuosität in polyphoner Singweise, indem sie zwei unabhängige Melodien gleichzeitig mit Grund- und Oberton singen. Vielerorts entstehen begeisterte Singkreise, die mit Obertönen in Gruppen improvisieren (chanten, tönen, Obertonchor). Der Obertongesang gehört der freien Musikszene an und entwickelt sich stetig weiter. Inzwischen wurden die ungewöhnlichen Klangeffekte auch für die Filmmusik entdeckt und finden zunehmend Interesse in der E-Musik. Jüngere Anwendungen in der Musiktherapie zeigen Potenziale des Obertongesangs im Heilwesen auf.